Ästhetische, geschichts- und kulturwissenschaftliche Konzepte der Raumerfahrung im 20. Jahrhundert

OTKA-Projekt Nr. 72058, Laufzeit: 1. April 2008 – 28. Februar 2011

Das Forschungsprojekt, an dem hauptsächlich Studierende und DozentInnen des Instituts für Kunsttheorie und Medienforschung, des Philosophischen und Germanistischen Instituts sowie des Instituts für Hungarologie und Kulturwissenschaften der Eötvös-Loránd-Universität teilnahmen, setzte sich zum Ziel, die ästhetische Moderne und die Bedingungen ihrer Entstehung zu untersuchen, und zwar in einer Weise, die die Bewandtnis der modernen Historizität sowie ihre künstlerischen und theoretischen Reflexionen in erster Linie nicht von der Erfahrung der Zeit, sondern von der neuartigen Erfahrung des Raums her beleuchtet. Wir haben es als besonders relevantes Anliegen betrachtet, die bisher parallel laufenden, einschlägigen kunsttheoretischen, geschichts- und kulturwissenschaftlichen Forschungen themenbezogen aufeinander anzunähern und ihren Dialog auf interdisziplinären Veranstaltungen zu vertiefen. Die wissenschaftlichen Diskussionen, die übersetzten Werke, die eine Auswahl aus der internationalen Literatur zur Raumerfahrung präsentieren, sowie die im Zuge der Forschungen entstandenen Fallstudien waren von einem wissenschaftshistorischen Interesse geleitet: Durch die Kooperation unterschiedlicher Disziplinen haben wir versucht, eine kritische Distanz zu jenen Fragestellungen zu schaffen, die als Orientierungspunkte der heutigen Kulturwissenschaften fungieren. Der besondere Stellenwert dieses Zugangs ist in der grundsätzlich interdisziplinären Zielsetzung des Projekts verbürgt: Der methodologische Eklektizismus und die Aufnahmefähigkeit der Kulturwissenschaften ermöglichte die Verortung der kunsttheoretischen und geschichtswissenschaftlichen Annäherungsweisen im Rahmen der in breiterem Sinne genommenen Kulturgeschichte und deren kultursoziologischen Implikationen. Diese integrative Rolle der Kulturwissenschaften trug im Laufe der Untersuchungen der historischen Varianten der Raumerfahrung dazu bei, dass einerseits die diskursiven Verbindungen, der Gebrauchswert der künstlerischen und technischen Raumvorstellungen, die medial und motivisch verwandten Momente der Perzeption, andererseits die kultursoziologischen Aspekte der symbolischen Gestaltung des historischen Raums in den Vordergrund gestellt wurden.

Der philosophisch und kunsttheoretisch ausgerichtete Teil der Forschungen hatte schwerpunktmäßig zum Ziel, die möglichen Ursprünge des spatial turn in der phänomenologischen Tradition nachzuweisen und vorzustellen, beziehungsweise jene Abweichungen herauszuarbeiten, die die dominanten Tendenzen der heutigen kulturwissenschaftlichen Untersuchungen zur Raumerfahrung, die Aufwertung der Performativität und der Kartografie von den Fragestellungen der Kulturwissenschaft um 1900 unterscheiden. Unser Ziel war somit die Rekonstruktion und Rekontextualisierung jener theoretischen Einsichten, die im Bereich der Ästhetik in irgendeiner Form die heute unumgänglichen Überlegungen zur medialen Vermitteltheit und Ordnung der Welt, zum unlösbaren wechselseitigen Bezug des menschlichen Körpers und der technischen Medien oder zur medialen Kodierung der sinnlichen Wahrnehmung bereits thematisierten oder vorbereiteten, die in der Folge vom spatial turn bewusst gemacht wurden und neuerdings als Voraussetzungen jeder konkreten Werkanalyse gelten. Mit Blick auf die geschichtswissenschaftliche Theoretisierung und Anwendung des Raumbegriffs erwies sich die Auseinandersetzung mit den inhaltlichen und methodologischen Ansätzen der makro- und mikrogeschichtlichen Untersuchungen besonders ergiebig, indem – neben der Funktion des Raums in den Alltagspraktiken, in den politischen Riten, in den räumlichen Manifestationen der Kulte, in der Bewahrung des Verhältnisses von Vergangenheit und Zukunft – die Fragen der Raumbenutzung in der politischen Anthropologie mit allgemeinen historiografischen Problemen verflochten wurden.

Kontakt: teller.katalin _at_ btk elte hu